Europa

Die Geisterkirche Luková 🇨🇿

Die tschechische Region Böhmen 🇨🇿 ist für ihre spezielle Kulinarik und ihre traditionellen Brauereien (Stichwort Pilsner 🍻) weltberühmt, aber wer wusste bitte schon, dass sich in den Tiefen der böhmischen Wälder eine mysteriöse Kirche versteckt, in der es seit Ewigkeiten spuken sollte? Na ja, ehrlich gesagt: Ich wusste es, sonst wäre ich hier nicht gestrandet😉. Willkommen in der Geister Kirche Luková!

Im nordwestlichen Teil Tschechiens befinden sich außergewöhnlich viele marode und verlassene Kirchen und Kapellen. Hauptgrund sind die Nachwirkungen des Zweiten Weltkrieges. Nach Kriegsende wurde, die damals dominierende, deutsche Bevölkerung aus Böhmen vertrieben und eines ihrer Abschiedsgeschenke bestand darin, alles, was nicht niet- und nagelfest war, aus den Gotteshäusern zu stehlen. (Und mit „Alles“ meine ich wirklich „Alles“). Eines dieser Opfer war unsere leidgeprüfte Kirche, im Einhundert-Seelen-Dorf Luková, aber springen wir zuerst einmal ein paar Jahre zurück in die Vergangenheit.

Seit der Einweihung im 14. Jahrhundert fiel das Bauwerk ungewöhnlich vielen Bränden zum Opfer und wurde stetig wieder aufgebaut und renoviert. Seinerzeit herrschte bereits der Glaube, dass die Kirche „verhext“ sei und sich alle möglichen bösen Dämonen eingenistet hätten. Der ausschlaggebende Vorfall passierte während einer Trauerfeier, im Jahre 1968. Ohne jegliche Vorwarnung stürzte ein Teil des Daches in sich zusammen und die Bewohner entgingen nur knapp eine Katastrophe. Niemand spielte mehr mit dem Gedanken, einen Fuß in das Gotteshaus zu setzen, die täglichen Messen wurden allenfalls noch im Freien abgehalten.

Da in den 70er und 80er Jahren die ehemalige Tschechoslowakei unter kommunistischer Herrschaft stand, spielte die Religion an sich nur eine untergeordnete Rolle. Als die UdSSR zerfiel, wiederholte sich das tragische Schicksal unserer Kirche ein zweites Mal: Plünderei und Vandalismus zogen durch das tschechische Dorf.

Erst vor wenigen Jahren hatten die Bewohner ihren Aberglauben abgelegt und wollten ihre Kirche retten, dennoch fehlte ihnen dazu das nötige Kleingeld. Bis sich ein tschechischer Student namens Jakub Hadrava unter seiner Nase rieb, mit den Fingern schnipste und rief: „Ich hab’s!“ (Okay, okay …-… die Wickie Geste kann ich nicht hundertprozentig belegen, aber so stelle ich mir diesen magischen Geistesblitz vor.) 😅

Jakub formte mithilfe von Kommilitonen, welche er als Modelle verwendete, Geister, indem er sie in Plastik und Regenmäntel einhüllte. Im Laufe seines Projektes hauchte er der Kirche gespenstisches Leben ein und erschuf an die dreißig Meisterwerke. Einerseits wollte der Schöpfer dem tschechischen Dorf mit dem Wiederaufbau der Kirche helfen und andererseits wollte er mit seinen Gespenstern an die dunkle Vergangenheit erinnern. Seine Kunstwerke ähneln den deutschsprachigen Bürgern, die an jenen Tagen die Kirche aufbauten, allerdings auch plünderten und beinahe niederbrannten.

Der Plan ging auf. In den letzten Jahren erlangte die Kirche zu einer, kleinen, regionalen Berühmtheit, den immer wieder verirrten sich Besucher nach Luková und hinterließen eine kleine Spende, um die Renovierungsarbeiten voranzutreiben. Das Dach wurde bereits erneuert und aktuell wird die Fassade renoviert, dadurch halten die Bewohner des Dorfes ihre Messen wieder innerhalb der Räumlichkeiten ab, in dem sie sich ihren Platz Seite an Seite, mit den Geistern teilen.

Während der letzten Kilometer meiner Fahrt durch das böhmische Nichts, Richtung Kirche stellte ich mir ständig die Frage: Was würde mich erwarten? Meine Vorfreude war zwar endlos, was freilich auch immer eine große Gefahr der Enttäuschung mit sich bringt. Zusammengefasst: Gänsehaut am ganzen Körper. Die Kirche steht leicht erhöht auf einem Hügel, an der Südseite befindet sich ein kleiner Friedhof und sie ist umgegeben von einigen traditionellen Bauernhäusern und endlosen grünen Wiesen und Feldern.

Die Atmosphäre innerhalb der Räumlichkeiten ist einerseits gespenstisch ruhig, melancholisch und nostalgisch, aber andererseits auch beklemmend und erdrückend. Die Wände sind zum größten Teil noch baufällig, die Sitzbänke sind aus alten Holzbrettern und in jeden Winkel erkenne ich ihre tragische Vergangenheit. Die Sonne, die durch die schäbigen Fenster strahlt, ist äußerst dezent und wenn ich Richtung Balkon schreite, knirschen die maroden Holzbalken unter meinen Füßen. Die Definition von Schönheit ist eine persönliche Auslegungssache. Ich liebe diesen Ort, insbesondere, weil ich niemals das Gefühl hatte, hier wird künstlich etwas geschaffen, sondern ich spürte das Leid, den Hilferuf und die triste Vergangenheit in jeder einzelnen Kante dieses Gotteshaus. Und als kleine aber feine Zugabe: Die Gespenster 👻 sehen richtig, richtig cool aus 😉.

Know Before You Go: Aktuell kann die Kirche in den Monaten Mai bis September, samstags von 13.00 bis 16.00, besucht werden. Wenn ihr in der tschechischen Sprache talentiert seid, könnt ihr die aktuellen Besuchsmöglichkeiten auch gerne auf der offiziellen Webseite abgleichen: Visit Website!